Seit einigen Monaten bin ich wieder in Cabo de Gata und möchte euch zunächst etwas über dieses kleine Dorf an der Küste erzählen.
Es liegt im Osten Andalusiens, etwa 30 km von der Hauptstadt Almería entfernt und hat nur wenige hundert Einwohner. Mit 2.900 Sonnenstunden im Jahr zählt die Region zu den trockensten Europas - daher sucht man hier vergeblich nach Bäumen, Palmen oder anderem Grünzeug, abgesehen von einigen Kakteen und verdorrten Sträuchern.
In diesem Ort gibt es keine Hotels, sondern einige einfache Zimmer, die privat vermietet werden. Touristen verirren sich selten hierher und wenn, dann nur für einige Stunden.
Neben den Einheimischen leben hier noch eine Art von Lebenskünstlern und Aussteigern, die ein inspirierendes Leben am Strand und Meer suchen oder vielleicht auch lediglich auf ihre Erleuchtung warten.
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Es gibt nur eine asphaltierte Straße, die jedoch am Ort vorbeiführt. Hier findet man ein Restaurant, eine typisch andalusische Bar und einen Chiringuito - das ist eine Strandbar, die aus Holz und Bambus gefertigt ist.
Dieser Chiringuito hat keine festen Öffnungszeiten, solange Leute in der Bar sind, ist sie von früh morgens bis spät abends geöffnet. Außer bei den Herbst- und Winterstürmen, denn danach muss sie jedes mal erst wieder neu aufgebaut werden.
Darüber hinaus gibt es einen Pub, dessen Öffnungszeiten zwar nicht vom Wetter abhängig sind, jedoch vom Gemütszustand des Besitzers. Ist er bei guter Laune, ist das Lokal geöffnet, bei schlechter Gemütslage bleibt es zu. Das ist ein effektives System, den auch wenn nur wenige Leute anwesend sind, herrscht hier immer eine ausgezeichnete Stimmung.
In unmittelbarer Nähe des Pubs befindet sich ein kleiner Gemischtwarenladen, der typisch für die Dörfer im Süden Spaniens ist. Der Laden ist in einer gewöhnlichen Autogarage untergebracht, mit wackeligen Regalen an den Wänden, die mit den wichtigsten Dingen des täglichen Bedarfs gefüllt sind.
Das Einzige, was es hier in Überfluss gibt, sind streunende Katzen und Hunde, die einen schreien jede Nacht wie Kleinkinder, die anderen jaulen n den Abend und Nachtstunden um die Wette. Das im oberen Lärmpegel angebrachte Katzenmiauen und Hundegebelle lässt mich ständig über das Warum meiner Tierliebe nachdenken.
Cabo de Gata liegt im Süden Spaniens, in der autonomen Region Andalusiens und in der der Provinz Almería.
Der kilometerlange Sand- und Kiesstrand erstreckt sich auf einer Seite bis zum Leuchtturm Faro Gabo de Gata und auf der anderen Seite bis zum Flughafen von Almería.
Die Sauberkeit des Strandes variiert stark je nach Windrichtung. Bei Poniente, einem auflandigen Westwind, werden Plastik und Abfälle angespült, während bei Levante, einem ablandigen Ostwind, der meiste Schmutz zurück ins Meer gespült wird.
Da es keinen Hafen gibt, liegen die wenigen kleinen Fischerboote direkt am Strand. Gefischt wird nur bei ruhiger See und meistens bei Nacht.
Das Fischen ist eine der wenigen Arbeitsmöglichkeiten im Ort. Einen Kilometer entfernt befinden sich die Salinas, in denen in den Sommermonaten Meeressalz gewonnen wird. In gleicher Entfernung aber in der anderen Richtung liegt die Reifenteststrecke von Michelin.
Das Leben hier ist extrem einfach und schlicht - als ob die Zeit hier stehen geblieben wäre.
Das Unglück von Tschernobyl, der Super-GAU, der vor einigen Monaten passierte, ist in Gabo de Gata kein Gesprächsthema. Stattdessen schauen die Bewohner sehnsüchtig und etwas enttäuscht über die Bucht von Almería zu den Orten Aguadulce und Roquetas del Mar, wo schemenhaft die Silhouetten der Touristenhochburgen erkennbar sind. Dort gibt es nicht nur Hotels, sondern auch Arbeitsplätze und eine gut ausgebaute Infrastruktur – alles Dinge, die hier fehlen.
Mini Hollywood in Tabernas (Almería). Fort Bravo und Oasys.
Fast wäre es zweimal gelungen, den Traum von einem Touristenort in Cabo de Gata zu verwirklichen. In den 60er und 70er-Jahren entstand 50 km von hier entfernt ein Mini-Hollywood in der Wüste von Tabernas.
Bekannte Filme wie “Für ein paar Dollar mehr” und “Zwei glorreiche Halunken” von Sergio Leone sowie "Kleopatra", “Lawrence von Arabien” und “Patton” wurden dort produziert und viele Außenaufnahmen an der Küste von Cabo de Gata gedreht.
Über 200 weitere Filme lockten berühmte Stars wie Omar Sharif, Anthony Quinn, Clint Eastwood und Elizabeth Taylor nach Almería.
Doch Ende der 70er-Jahre ging die Zahl der produzierten Filme zurück und die Arbeitslosigkeit stieg, da es kaum noch Statistenrollen gab und die Hotels in Almería keine Nachfrage mehr nach Kellnern und Reinigungskräften hatten.
Der ganze Landstrich fiel wieder in einen Dornröschenschlaf.
Vor einigen Jahren gab es erneut Hoffnung auf eine Veränderung. Es war geplant, dass “Euro Disney Europa” in Spanien gebaut werden sollte, wobei der Landstrich um Cabo de Gata einer von drei möglichen Standorten war.
Trotz vieler Sonnenstunden und dem vorhandenen Flugplatz wurde das Gebiet letztendlich nicht ausgewählt. Die Bewohner blieben mit ihren tausenden Flamingos im nahen Salzsee allein zurück, es sind die auch die einzigen, die jedes Jahr nach Cabo de Gata zurückkehren.
Typisch spanischer Chiringuito (Strandbar) in den 1980 Jahren
Stattdessen wird nun in den regionalen Regierungskreisen über die Errichtung eines Naturparks namens „El Parque Natural del Cabo de Gata-Níjar“ nachgedacht.
Dies stößt bei den Bewohnern auf wenig Begeisterung, da es einem Baustopp gleichkommt.
Den Naturschützern Freud ist den Einheimischen leid.
Ehrlich gesagt berühren mich die Ängste und Sorgen der Einwohner von Cabo de Gata nicht besonders, denn im Gedanken bin ich schon seit Monaten ganz woanders, und morgen werden diese Gedanken einen neuen Weg in mein Leben einleiten.
Es bleibt noch die Frage offen, wie ich hier gestrandet bin.
Vor drei Jahren entdeckte ich diesen Ort zufällig während einer mehrwöchigen Spanienrundreise mit dem Auto. Das ruhige und einfache Leben hat mich fasziniert, sodass ich zwölf Monate später erneut hierher zurückkehrte, diesmal mit dem Flugzeug.
1986 wurde geplant, hier in Cabo einen Naturpark zu errichten. (Parque Natural del Cabo de Gata-Níjar)
Auch der kleine Flugplatz in Almería schien wie aus einer anderen Ära zu stammen. Das Café nutzte Teile des Flugplatzes als Terrasse, Kinder spielten Fußball zwischen den abgestellten Flugzeugen und ohne Shuttlebus lief man mit seinem Gepäck über das Rollfeld zum Flughafengebäude.
Nun bin ich seit einigen Monaten zum dritten Mal hier, nachdem ich zuvor sechs Monate lang eine Sprachschule in Madrid besucht habe, um mein Spanisch zu verbessern.
Dazu nahm ich an einem mehrmonatigen Sharper-Kurs teil, nicht um zu lernen, wie man das Gepäck müder Touristen den Berg hinaufschleppt (also kein Sherpa, sondern Shaper), vielmehr um hochwertige Surf- und Windsurfboards zu designen und zu bauen.
Nach dem Madridintermezzo ging die Reise zurück nach Gabo de Gata und ich eröffnete vor dem Chiringuito von Pedro eine kleine Surfschule oder besser gesagt einen Windsurfverleih mit den wenigen Surfbrettern und Segeln, die in meinem Besitz waren.
Die nötige Genehmigung dafür gab es auf Umwegen. Da im Cabildo also Rathaus von Almería Windsurfen völlig unbekannt waren, konnte für diese exotischen Aktivitäten auch keine Erlaubnis ausgestellt werden.
Aber man ist hier ja in Spanien und deshalb gibt es für alles eine Lösung. Nach einer kleinen Aufmerksamkeit von 5.000 Peseten für den Sachbearbeiter wurde mir eine Lizenz für Tretboote ausgestellt, wobei ich keine Tretboote benötigte, aber dadurch das Windsurfen geduldet wurde.
Es war klar, dass nur durch den Verleih und die wenigen Kurse, die in diesem Gebiet möglich waren, ich bald am Hungertuch knabbern würde, den abgesehen von einigen Kindern und Jugendlichen konnten die meisten Leute hier an der Küste nicht einmal schwimmen.